Eine kleiner Überblick über die verschiedenen Blockflötentypen in der Musikgeschichte

Dordrecht-Flöte

(Abb. 1: Die "Dordrecht-Blockflöte" aus dem 14.Jh., Gemeentemuseum, Den Haag)

Der Unterricht in der Musikschule konzentriert sich auf die Sopran- und die Altblockflöte. Im Ensembleunterricht kommen dann noch Tenor- und Bassblockflöte hinzu. Die klassische Blockflötenfamilie wäre damit soweit komplett. In der Geschichte gab es allerdings eine nur schwer zu überschauende Vielzahl von verschiedenen Blockflötentypen. Ich bemühe mich im Folgenden um eine kleine Übersicht, die natürlich unvollständig bleiben muss:

Spätmittelalter

Über die Blockflöten dieser Zeit ist kaum etwas bekannt, da nur wenige erhalten sind. Sie waren einteilig und ihre Bohrung war fast zylindrisch.

1940 fand man bei Ausgrabungen einer Burganlage in der Nähe der niederländischen Stadt Dordrecht unter vielen Artefakten auch das hier abgebildete Instrument. Sie gilt als die älteste vollständig erhaltene Blockflöte. Heute wird dieses Instrument im Gemeente Museeum in Den Haag aufbewahrt. Wie bei vielen Blockflöten bis zum Barock ist das unterste Griffloch doppelt vorhanden. Die Spieler konnten somit selbst entscheiden, ob sie mit dem kleinen Finger der rechten oder der linken Hand das Loch abdeckten. Das jeweils andere Loch wurde mit Wachs zugeklebt. Wie auch die übrigen erhaltenen Blockflöten des Mittelalters ist dieses Instrument nicht spielbar. Rekonstruktionen basieren daher zum größten Teil auf Spekualtion.

Renaissance und Frühbarock

(Abb. 2: Flûte colonne nach Hans Rauch von Schratt (Cpyright: Musée de la Musique de Paris )

Flûte colonne

Auf alten Bildern findet man vorwiegend Diskant- und Altblockflöten. In der Renaissance wurden aber auch ganze Blockflötenchöre, von der Diskant- bis in die tiefsten Basslagen gebaut. Die wohl größte Blockflöte dieser Zeit befindet sich im Vleeshuis Museum in Antwerpen. Sie misst stolze 2,62 m. Selbst dieses Instrument hat nur eine einzige Klappe. Leider waren Holzwürmer der Ansicht, dass nicht genug Löcher in diesem altehrwürdigen Instrument seien, es ist daher leider unspielbar.

Besonders kurios sind die säulenförmigen Blockflöten von Hans Rauch von Schratt aus dem 16. Jh., die man heute im Museum der "Cité la musique" in Paris bewundern kann. Es handelt sich um Bassblockflöten, die mit einer Doppelbohrung fast wie bei einem Fagott ausgestattet sind, um die Länge zu begrenzen. Die größere der beiden ausgestellten Blockflöten misst so gerade einmal 0,99 m. Auf der Seite der Cité de la musique erhalten Sie weitere Infos und auch Klangbeispiele dazu.

Prätorius: Abbildung aus Syntagma Musicum

(Abb. 3: aus Michael Prätorius: Syntagma musicum, Bd. II, Abbildung IX, Wolfenbüttel 1619)

Im Frühbarock tauchen erstmals mehrteilige Blockflöten auf. Die Basisstimmung konnte nun durch Hinausziehen des Kopfstückes verändert werden. Moderne Blockflötenbauer stellen wieder ganze Instrumentensätze her. Michael Prätorius listet im zweiten Band seines "Syntagma Musicum" folgende Typen auf (Abb. 2):

  1. gar kleine-Plockflötlein in c''' (vier Grifflöcher vorne und ein Daumenloch)
  2. Klein Flötlein in g'' (Sie entspricht der Sopraninoblockflöte und hat wie die nächsten drei mit sieben Grifflöcher vorne und ein Daumenloch.)
  3. DiskantFlöt in c'' (Sopranblockflöte)
  4. AltFlöt in f'
  5. TenorFlöt in c'
  6. BassetFlöt in f (wie alle übrigen mit 6 Grifflöchern und einer Klappe vorne und einem Daumenloch)
  7. BasFlöt in B
  8. GroßBaßflöt in F

Die Instrumente waren sehr verbreitet. Heinrich VIII., der abgesehen von seinen eigensinnigen Scheidungsgewohnheiten auch musikalisch sehr aktiv war, besaß am Ende seines Lebens alleine 76 Blockflöten.

Ganassi-Flöten

(Abb. 4: Ganassi-Blockflöten: Diskantblockflöte in c'' von Hans Schimmel und Altblockflöte in g' von Bodil Diesen)

Moderne Hersteller kopieren wieder Blockflöten aus dieser Zeit. Aufgrund der geringen Zahl von erhaltenen Instrumenten ist dies jedoch recht schwierig. Zum einen sind die meisten dieser Blockflöten nicht mehr spielbar und zum anderen sind es nicht immer die besten, die die Zeit überdauert haben. Eine "1 zu 1 Kopie" ist daher kaum möglich. Viel Forschungsarbeit war und ist nötig, um hinter die Bauprinzipien alter Instrumente zu kommen. Die Ergebnisse dieser "Rekonstruktionen" sind daher recht unterschiedlich, sowohl im Aussehen wie auch im Klang.

Ein besonderes Kapitel ist hier die Entstehung der sogenannten "Ganassi-Blockflöten":

Der vor einigen Jahren verstorbene Blockflötenbauer Frederick Morgan studierte eine solche Altblockflöte in g', wie er sie in Wien vorfand. Diese Flöte ist heute leider nicht mehr spielbar. Morgan fertigte nach den Erkenntnissen seiner Forschung eine Kopie, wobei er die Bohrung und einige andere Details allerdings stark modifizierte. Damit wollte er Intonationsproblemen entgegentreten. Die tiefen Töne bekamen dadurch zudem viel mehr Kraft. Nach diesem neu entstandenen Modell entwarf er auch eine Diskantflöte. Da er die Baupläne in größerem Umfang verteilte, bauten auch viele andere Blockflötenbauer dieses Modell, das heute als "Ganassi-Blockflöte" in keinem Blockflötenkatalog mehr fehlen darf.
Der Namensgeber, Sylvestro Ganassi, baute selbst keine Blockflöten. 1535 schrieb er eine Anweisung zum Blockflötenspiel. ("Opera intitulata fontegara") Hier findet sich auch die Griffweise für diesen Blockflötentyp, die einen Tonumfang von mehr als 2 Oktaven zulässt.

Nach Meinung einiger Blockflötenbauer führen Morgans Modifikationen jedoch auf einen falschen Weg. Einer von Ihnen, Guido M. Klemisch, der selbst intensive Forschungsarbeit betreibt, bemüht sich bei seinen Kopien um eine größere Treue zu den Originalinstrumenten der Renaissance.

Heute sind Kopien von Renaissanceblockflöten Instrumente erster Wahl auch bei Musik des Frühbarocks (Frescobaldi, Fontana, Castello usw.). Das ist jedoch nicht unproblematisch. Schließlich wurde diese Musik wohl kaum für Blockflöte komponiert, sondern eher für Streicher oder Zinken. Außerdem liegt eine große Zeitspanne zwischen den überlieferten Renaissanceblockflöten und dem Frühbarock.
All diesen Vorbehalten zum Trotz: Auch die Variationen aus Jacob van Eycks umfangreicher Sammlung "Flytenlusthof" lassen sich mit der "Ganassi-Blockflöte" überzeugend interpretieren.

Barock

Im 17. Jh. entstand in Frankreich die barocke Form der Blockflöte. Sie ist nun dreigeteilt in Kopf-, Mittel- und Fußstück.

Alt- und Voiceflute

(Abb. 5: Voiceflute nach Bressan von Hans Schimmel und Altblockflöte nach Bizey von Pieter van der Poel)

Die Bohrung des Instrumentes ist umgekehrt konisch, verengt sich also deutlich zum Fußstück hin. Besonders der Klang der französischen Instrumente ist äußerst komplex und modulierbar, so wie es die Musik von Hotteterre, den Philidors und ihren Zeitgenossen fordert. Der Kammerton differierte von Land zu Land. (Frankreich ca. 390 Hz, Italien ca. 435 Hz, England und Deutschland ca. 410 Hz.)

Viele der erhaltenen Instrumente werden wieder kopiert oder dienen als Modell für unsere modernen Blockflöten. Berühmte Bauer waren Bressan und Stanesby (England), Hotteterre, Bizey und Rippert (Frankreich), Debey, Haka und Rottenburg (Niederlande), Denner, Gahn und Oberlender (Deutschland). Im Gebrauch waren folgende Blockflötentypen:

  • Diskantblockflöten in c'' und d'', aber auch in b' (Fourthflute)
  • Altblockflöten in f' und g'.
    Die Altblockflöte in f' war die Standardblockflöte
  • Voiceflute in d' (frz.: Flute de voix). Hierbei handelt es sich um eine Tenorblockflöte, die besonders England beliebt war. Sie hat den gleichen Grundton wie die Traversflöte. Aufgrund ihres aparten Klangs findet sie seit kurzem immer mehr Freunde.
  • Tenorblockflöten in c' und b. Für die französische Flötenliteratur ist die Tenorblockflöte sehr geeignet.
  • Bassblockflöten in g und f

20. Jahrhundert bis heute

Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte man die Blockflöte wieder. Wie wenig man über diese Instrument wusste, erkennt man am Bericht über eines der ersten Blockflötenkonzerte dieser Zeit. Der Solist wunderte sich über das Loch auf der Rückseite. Da er sich dessen Zweck nicht erklären konnte, klebte er es einfach zu. Er nahm das Überblasen bei Tonen des höheren Register also wortwörtlich.

Arnold Dolmetsch ist die Renaissance der Blockflöte zu verdanken. Er untersuchte einige überlieferte Instrumente des Barock und baute sie nach. Dieses tat er allerdings recht frei. Die Qualität der Barockinstrumente erreichte er nie. Er war es übrigens, der die "Barock-Griffweise" (eigentlich: "englische Griffweise") erfand, in dem er die originale Bohrung der Grifflöcher leicht modifizierte. Die Originalgriffweise verlangt z.B. das Halbabdecken von Grifflöchern, was vielen Spielern zu umständlich ist.

Altblockflöten von Rohmer

(Abb. 6: Altblockflöten nach Stanesby a = 440 Hz und nach Bressan a = 415 Hz von Joachim Rohmer)

In den 20-er Jahren hörte der deutsche Instrumentenbauer Peter Harlan Dolmetschs Instrumente und beschloss es ihm gleich zu tun. In Deutschland war die Jugendbewegung auf dem Höhepunkt. Natur, Gesundheit, Poesie und Gesang waren in Mode. Man zog bewaffnet mit Flöten, Gitarren und anderen Instrumenten in die Wälder. Die englische Griffweise war aber durch deren Gabelgriffe für diese Laienmusiker ein Hindernis, und so beschloss Harlan, die Griffweise erneut zu verändern. Ohne Gabelgriffe kann man seitdem mit der "deutschen Griffweise" die C-Dur-Skala spielen. Einige Töne sind dafür schwerer oder gar nicht sauber zu intonieren. Er selbst lehnte, wie auch alle modernen Blockflötenlehrer, diese Griffweise für das professionelle Spiel ab. Leider findet sich dieser historische Fehler immer noch.

Seit etwa 1960 orientiert sich der Blockflötenbau wieder an den Originalen. Mittlerweile finden sich fast alle historischen Modelle wieder, sowohl mit historischem wie auch modernem Kammerton in den Katalogen der Blockflötenbauer wieder. Auch Neuentwicklungen sind hinzugekommen. Marten Helder bietet eine Blockflöte mit einem Tonumfang von 3 Oktaven an, die speziell für Neue Musik entworfen wurde.

Maßgeblich für diese Entwicklung waren die führenden Blockflötisten unserer Zeit. Die Krone gebührt dabei mit Sicherheit Frans Bruggen.